Fressen und Gefressen werden – Mobbing-Serie Teil 2

Mobbing-Mechanismen – warum überhaupt mobben wir?

Das „Jagen“ und Ausschließen von nicht passenden Individuen aus der Population mit allen Mitteln ist so alt wie die Evolution selbst. Sichert es doch das Überleben der Spezies, wenn vermeintlich schwache Exemplare den Jägern als „leichte Beute“ präsentiert werden. Während die Hyänen (wobei sich hier die vierbeinigen Exemplare fast beleidigt fühlen könnten) sich zusammenrotten, kann das potentielle Opfer sich vielleicht noch retten: Wer über den Dingen steht, sich vielleicht Hilfe von „oben“ sucht, findet vielleicht doch wieder Schutz in der Gruppe. Aber eben nur vielleicht. Den je nachdem, wie weit fortgeschritten der Ausgrenzungsprozess schon ist und je nachdem, wieviel blinden Jagdeifer die Meute schon an den Tag legt, kann es gut sein, dass hier alle offenen Lösungsversuche und vernünftigen Argumente zum Scheitern verurteilt sind.

Was macht aus netten Kollegen fiese Aggressoren?

Eindeutig lässt sich das nicht erklären. Neben einem vorhandenen „Grundaggressionspotential“ fühlt sich der Angreifer meist selbst benachteiligt und bedroht – und zwar aus Anlässen, die mit dem akuten Konfliktauslöser oder der momentanen Situation nicht zwingend zu tun haben müssen. Zusätzlich zu Minderwertigkeitsgefühlen und der Erfahrung, in einer früheren, ähnlichen Situation als Opfer gelitten zu haben, kann auch und gerade das Verhalten der Führungsetage mit der Ankündigung von Personalkürzungen dazu führen, dass sich die Mobber nicht anders zu helfen wissen. Und dann das tun, was ihrer Meinung nach das einzig richtige ist: Auf jene Person hinweisen, die „schuld“ ist. Oder die entfernt gehört, sei es aufgrund einer tiefgehenden persönlichen Abneigung oder weil die Wahrnehmung einer Person ganz anders ist, als diese meint.

Störend ist dabei alles: die vermeintliche „Lebensleichtigkeit“ des Opfers, Erfolge, Leistung, gutes Aussehen, Anerkennung, teure oder extravagante Kleidung, angenommenes, aber auch durchaus tatsächliches Fehlverhalten. Verständnis oder Empathie werden dabei vollständig ausgeblendet, es geht nur noch ums „Überleben“.

In allen diesen Fällen wird schnell klar, dass jeder Versuch einer Verteidigung oder einer direkten, ehrlichen Aussprache genau das Gegenteil des gewünschten Erfolges zeitigen wird, eher im Gegenteil wieder und wieder als erneute Provokation aufgefasst und entsprechend geahndet werden wird. Dies funktioniert auch deswegen so gut, weil viele (meist männliche) Chefs keine Lust auf sinnloses Gezänk und Zickenkriege haben. Die verteilen bestenfalls eine Rüge an alle Beteiligten und befehlen dann: Back to work und Ruhe jetzt! Aus Chefsicht verständlich. Den Konflikt löst es nicht, stachelt ihn oft sogar noch weiter an, denn nun sind die Chancen auf eine offene Lösung und damit ein für alle zufriedenstellendes Ergebnis praktisch dahin. So kann auch aus einer kleinen „Giftelei“ aus Unsicherheit schnell eine ausgewachsene Mobbing-Campagne werden, schließlich hat der Mobber genau das erhalten, was er gefürchtet hat: einen Rüffel. Und fühlt sich in seiner Handlung und Meinung gegenüber dem bösen Opfer noch bestätigt, dieses ist ja „schuld“ daran.
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Dazu kommt ein weiterer Faktor: Eine vehemente Verteidigung vermittelt immer den Eindruck von „Schwäche“. Wer dagegen subtil von hinten angreift, wirkt nach außen stark und souverän und weist lediglich mit Recht auf Fehler hin. Um diese Taktik auszuführen, ist Mobbern jede Lüge, Diffamierung, falsche Darstellung oder Übertreibung recht. Sie kämpfen mit buchstäblich allen Mitteln um Anerkennung, Zuneigung, Respekt, Rang und Überlegenheit – oder einfach darum, das Opfer geschlagen von dannen ziehen zu sehen. Die einen handeln so, um damit die „Gruppe“ vor dem Bösen zu schützen und sich selbst in die Position des Helden, des Retters, des Verteidigers des Guten zu rücken. Die anderen, um konsequent die eigene Position zu stärken, abzusichern und um sich auch weiterhin nicht in die Karten blicken lassen zu müssen.

Dieses vorgebliche „Verteidigungs“-Verhaltensmuster kann schnell zum Selbstläufer werden. Auch deswegen geht Mobbing in einem Unternehmen oder in einer Abteilung häufig immer weiter, denn mit jeder neuen Situation tauchen auch neue „Gefahren“ oder „Gegner“ auf, die es zu erledigen gilt.

 

Liebe Länder, Reisen, Bücher, Natur, Tiere – bin studierte Ethnologin, und seit 3 Jahren Texterin, u. a. für Gesundheits- und Lifestyle-Themen.

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